Unilaterale Katarakt nach exzessiver Handynutzung

Die häufigste Ursache einer Katarakt ist das Alter, doch im modernen Alltag mit einer zunehmenden Anzahl von Geräten, die elektromagnetische Strahlung abgeben, sind auf Dauer auch durch diese Gewebeschäden zu erwarten. Um die Frage einer möglichen Sehschärfenminderung in Abhängigkeit einer langjährigen Handynutzung zu beantworten, wurden aus dem ambulanten Patientenpool des Instituts für wissenschaftliche Kontaktoptik in Ulm diejenigen Fälle auf- gelistet, die zur Kataraktoperation anstanden. Dr. Hans-Walter Roth (Ulm) stellt die Ergebnisse der Datenanalyse vor.

Nur wenige Sinnesorgane sind mit dem Leben bezie­hungsweise dem Schicksal eines Menschen so eng ver­bunden wie das Auge. Jede Sehminderung oder gar Blindheit bedeutet Verzicht auf Lebensqualität. Die Orientierung im Raum, die Fortbewegung, das Erkennen von Gefahren oder die Nahrungssuche sind alles Faktoren, die durch eine man­gelhafte Sehfunktion eingeschränkt, wenn nicht sogar gänz­lich unmöglich sind.

Die häufigsten Ursachen einer Sehminderung sind in heutiger Zeit die Katarakt und das Glaukom. Beide Erkrankungen können, sofern nicht rechtzeitig eine adäquate Therapie erfolgt, zur Erblindung führen.

Abb. 1: Fortgeschrittene unilaterale Katarakt des linken Auges nach mehrjähriger einseitiger exzessiver Handynutzung auf der linken Kopfseite.

Ätiologie und Verlauf

Die Ursachen der Katarakt sind vielfältig. Es gibt sie in seltenen Fällen bereits bei der Geburt, beeinflusst durch geneti­sche Faktoren oder Infektionen wie zum Beispiel eine Rötelnerkrankung der Mutter in der Schwangerschaft. Auch fördert

eine Reihe von Stoffwechselerkrankungen ihr Entstehen. Des Weiteren können Augenverletzungen oder eine Exposition mit energiereichen Strahlen die Linsentrübung auslösen. Die häu­figste Ursache einer Katarakt aber ist zweifellos das Alter. Mit Beginn der Presbyopie, spätestens um das 50. Lebensjahr, zei­gen sich bei der Kontrolle der Augenlinse an der Spaltlampe erste Trübungszonen, die mit zunehmendem Alter dichter werden. Die anfängliche Blendungsempfindlichkeit, vor allem bei Nacht, nimmt zu, die Sehschärfe allmählich ab. Spätestens bei einem Restvisus von 0.5 ist die Operation indiziert, die ergraute Linse wird dabei entfernt und üblicherweise durch ein Implantat ersetzt.

Es fiel schon kurz nach Entdeckung der Röntgenstrahlen auf, dass durch ihren Einfluss auf das ungeschützte Auge vorzeitige Linsentrübungen begünstigt wurden. Vor allem Ärzte waren davon zunehmend selbst betroffen. Inzwischen wurde beob­achtet, dass auch andere energiereiche Strahlen zu Katarakt führen. So gibt es Berichte darüber, dass Techniker, die fahrläs­sig Justierarbeiten an eingeschalteten Radarantennen durch­ führten, innerhalb weniger Tage eine Katarakt entwickelten, was letztendlich auch als Berufsunfall anerkannt wurde. Experimentell ist schon lange erwiesen, dass sich die Augenlinse am isolierten Schwein­ oder Kaninchenauge, in einer haushalts­üblichen Mikrowelle exponiert, bereits in wenigen Sekunden vollständig eintrübt.

Theoretische Vorbemerkungen

Geht man davon aus, dass beim Gebrauch eines Handys ein gewisser Anteil der begleitenden Strahlung ­ diese liegt im Mikrowellenbereich und wird allgemein als Elektrosmog bezeichnet ­ auf den menschlichen Körper trifft beziehungs­weise ihn durchdringt, dann ist auf Dauer ein Gewebescha­den zu erwarten. Das Ausmaß des Schadens ist dabei direkt proportional zu der Intensität einer Strahlung sowie ihrer Einwirkdauer. Die Intensität wiederum hängt ab von der Wel­lenlänge und ihrer Amplitude. Je kürzer die Wellenlänge und je größer die Amplitude sind, umso höher wird der Schaden zu erwarten sein.

Nun sind es nicht nur allein der Elektrosmog des Handys oder die Strahlung der zu seiner Nutzung notwendigen Sendean­lagen, die auf das Umfeld von Mensch und Tier einwirken. Zahllose andere Geräte, die auf der Basis einer elektromagne­tischen Strahlung arbeiten wie beispielweise das schnurlose Telefon, aber auch Funksprechgeräte oder Fernsteuerungen, haben einen beträchtlichen Anteil am Elektrosmog. Zusätzlich addiert sich noch die natürliche Umweltstrahlung als weiterer möglicher Schadensfaktor.

Einfluss auf das Auge

Bei der Nutzung eines Smartphones trifft ein Anteil der Strah­lung direkt auf das nächstgelegene Auge. Aus der physikali­schen Formel, die besagt, dass die Intensität einer Strahlung mit dem Quadrat der Entfernung zur Strahlenquelle abnimmt, folgt, dass das von der Strahlenquelle abgewandte Auge nur ein Viertel der Strahlenmenge im Vergleich zum anderen Auges trifft.

Eine Katarakt muss nach dieser Hypothese auf dem der Strah­lenquelle zugewandten Auge mindestens viermal schneller nach­weisbar sein. Der Unterschied im Schadensausmaß dürfte sogar noch höher ausfallen, wenn zusätzlich der Intensitätsverlust der Strahlung beim Durchdringen des Schädelknochens oder des Hirngewebes mit einkalkuliert wird.

Das der Strahlungsquelle abgewandte Auge wird also deutlich später eine Katarakt entwickeln. Als Parameter für den Schaden, den eine Katarakt verursacht, kann eine einfache Visusbestim­mung herangezogen werden: Je dichter die Linsentrübung, umso stärker ist der Visusverlust und der Anstieg der Blendungsemp­findlichkeit. Ein Vergleich der Sehschärfe beider Augen erlaubt diesen Schaden exakt zu definieren.

Material, Patientengut

Um die Frage einer möglichen Sehschärfenminderung in Abhän­gigkeit einer langjährigen Handynutzung zu beantworten, wur­den aus dem ambulanten Patientenpool des Instituts die Fälle auf­ gelistet, die zur Kataraktoperation anstanden.

Bewertet wurden nur solche Patienten, deren Sehschärfe auf dem Auge, das zur operativen Versorgung mit einer Kunstlinse anstand, im Landolttest nur noch 0.7 und weniger für die Ferne betrug, das dem Handy abgewandte Partnerauge aber noch immer eine Sehschärfe von mindestens 0.8 bis 1.0 erreichte. Dies traf auf insgesamt 16 Patienten zu. Alle Betroffenen waren zwischen 40 und 60 Jahre alt, elf von ihnen waren Männer, fünf

Frauen. Ausgewählt wurden nur solche Personen, die noch min­destens zehn Jahre zuvor beidseits einen gleich guten Visus von

0.9 bis 1.0 auf beiden Augen hatten und bei denen keine weitere relevante Störung am Auge wie beispielsweise eine Makuladegeneration bekannt war.

Diese Patienten wurden nun befragt, ob beziehungsweise wie viele Stunden durchschnittlich sie täglich ein Handy nutzten. Gefragt wurde auch, ob sie Rechts­ oder Linkshänder sind bezie­hungsweise ob sie das Telefon mehrheitlich an das rechte oder linke Ohr hielten.

Auffallend war von Beginn an die berufliche Exposition, die Mehrheit der hier aufgelisteten Patienten stammte aus einer bera­tenden Berufsgruppe. Bevorzugt handelte es sich um Makler, Anlageberater oder Anwälte. Alle aufgelisteten Patienten gaben an, an ihren Arbeitstagen über 8 bis 12 Jahre lang das Handy täg­lich mindestens 4 bis maximal 6 Stunden zu nutzen. Alle gaben des Weiteren übereinstimmend an, dabei das Gerätschwerpunkt­ mäßig entweder nur an das rechte oder das linke Ohr zu halten. Errechnet man daraus die gesamte zeitliche Strahlenbelastung, so betrug diese über den gesamten Zeitraum zwischen 12.000 und 16.000 Stunden.

Ergebnisse

In Tabelle 1 sind alle Daten im Zusammenhang mit der Handy­nutzung zusammengestellt. Wie die Auflistung erkennen lässt, war die Katarakt bei allen 16 Patienten auf dem Auge, das dem Handy am nächsten war, eindeutig stärker ausgeprägt als auf dem Partnerauge und der Visus lag jeweils um 30 bis 60 Pro­zent zum Ausgangs­ beziehungsweise Vorbefund niedriger. Nach operativer Entfernung der eingetrübten Linse und Ersatz durch ein Implantat wurde in allen 16 Fällen wieder der gleiche Visus erreicht, der vor der Nutzung des Mobiltelefons erzielt worden war. Hieraus kann gefolgert werden, dass im Zeitraum der Handynutzung außer der Katarakt keine weiteren relevanten Augenschäden wie beispielsweise eine Makuladegeneration oder ein Glaukom entstanden waren.

Alle hier aufgelisteten Personen wiesen auch sonst keine weiteren Erkrankungen am Auge auf, welche die Einseitigkeit der Katarakt hätten ihrerseits begründen können.

Schlussfolgerungen

Die hier vorgelegten Daten bestätigen den Anfangsverdacht, dass ein langfristiger Einfluss des Elektrosmogs, in erster Linie heute vom Handy verursacht, die Kataraktentstehung begünstigt. Dabei spielen Intensität und Einwirkdauer der Strahlung eine Schüsselrolle für die Linsentrübung. Da die Intensität von der Wellenlänge abhängt, stellen vor allem die kurzwelligeren Strahlen das höhere Risiko dar.

Bis zur weiteren Absicherung dieser ersten Erfahrungen an einem großen überregionalen Patientengut sollte die Nutzung von mobi­len Telefonen oder Geräten, die einen Elektrosmog erzeugen, in Körpernähe kritisch betrachtet werden. Eingeschränkt werden sollte sie vor allem während des körperlichen Wachstums sowie in der Schwangerschaft.

Geschlecht M/W

Alter bei OP (in Jahren)

Tägliche Exposition (in Stunden)

Gesamte Exposition (in Jahren)

Handy-Augenlinse (Linkes/Rechtes Auge)

Visus LA/RA Anfangs-befund

Visus LA/RA zum OP-Termin

Visus LA/RA nach OP

BERUF

M

44

4.5

11.0

     RA

1.0/1.0

1.0/0.6

1.0/1.0

Anlageberater

M

55

4.0

12.0

     RA

0.8/0.8

0.9/0.5

0.9/0.9

Makler

W

55

6.0

11.5

     RA

1.0/1.0

1.0/0.5

1.0/1.0

Hotelier

W

41

5.5

11.0

LA     

1.0/1.0

0.4/0.9

0.9/0.9

Maklerin

M

60

5.5

10.5

     RA

1.0/1.0

0.9/0.5

0.9/0.9

Versicherungs-agent

M

50

5.5

11.5

     RA

1.0/1.0

0.9/0.4

0.9/0.9

Immobilien-makler

M

49

6.0

8.0

LA     

1.0/1.0

0.6/0.8

0.9/0.9

Kaufmann

W

54

5.5

10.5

     RA

1.0/1.0

1.0/0.7

1.0/1.0

Autoverkäufer

W

45

5.0

9.5

     RA

1.0/1.0

1.0/0.7

1.0/1.0

Maklerin

W

59

6.0

12.0

     RA

1.0/1.0

0.9/0.6

0.9/0.9

Anwältin

M

52

5.5

11.0

     RA

1.0/1.0

1.0/0.6

1.0/1.0

Kaufmann

M

58

6.0

10.0

     RA

1.0/1.0

1.0/0.7

1.0/1.0

Eheberater

M

48

5.5

9.0

     RA

0.9/0.9

0.8/0.6

0.9/0.9

Anlageberater

M

59

6.0

8.0

     RA

0.9/1.0

0.9/0.6

1.0/0.9

Autovermieter

W

40

5.5

9.5

LA     

1.0/1.0

0.5/1.0

1.0/1.0

Kaufmann

M

56

5.5

12.0

LA     

1.0/1.0

0.7/1.0

1.0/1.0

Arzt

Tab.1: Retrospektivstudie mit Patientengut aus eigener Praxis: Daten zur Handynutzung und Visusentwicklung.
(Zur Erklärung: Visus = Sehschärfe; 1 bedeutet volle Sehschärfe; RA = rechtes Auge, LA = linkes Auge)

Fazit

Diesen Anfangsverdacht bestätigt auch die Auswertung des Datenpools einer Retrospektivstudie am eigenen Patientengut. Betroffen von der Katarakt ist dabei primär das Auge, das der Strahlenquelle direkt zugewandt ist. Langjährige Nutzer eines Handys sollten daher über dieses Risiko aufgeklärt sein, regelmä­ßige augenärztliche Kontrollen sind vor allem im höheren Alter anzuraten.

Da elektromagnetische Strahlung im Experiment zur Eintrübung der Augenlinse führt, ist zu folgern, dass die exzessive Nutzung zum Beispiel eines Smartphones über einen längeren Zeitraum bereits im frühen Alter eine Katarakt erwarten lässt.


Autor: Dr. Hans-Walter Roth, Augenarzt, Institut für wissenschaftliche Kontaktoptik Ulm E-Mail: institut.roth.ulm@t-online.de