Funkfuchs 20: Schnee ...

... und was er uns im Zeitalter der Durchdigitalisierung lehren kann

Viel Schnee fiel dieses Jahr für kurze Zeit - und gab die Inspiration für diesen Funkfuchs.

Schnee spaltet ja die Gemüter. Die einen verbinden damit Stau, Glätte, Kälte, Oberschenkelhalsbuch, andere dagegen Ruhe, Verzauberung, Licht, Kindheit... 

Schnee ist etwas ganz Besonderes. Man kann  ihn nicht selber machen (wenn Schneekanonen ihn herstellen, wirkt er wesenfremd, isoliert, nicht als Landschaftselement und gänzlich ohne Zauber). Versucht man ihn aufzubewahren, verändert er sich und ist kein Schnee mehr. Der Soziologe Hartmut Rosa nannte Schnee deshalb einmal die "Manifestation der Unverfügbarkeit". Es ist diese Unverfügbarkeit, die einen Großteils seines Zaubers ausmacht. Dem Unverfügbaren können wir nur mit unserer Unmittelbarkeit begegnen, mit Spontaneität, mit Demut, mit Staunen - es entzieht sich unserer Kontrolle und allem Nützlichkeitsdenken. Und vor allem machen wir an ebendieser Grenze des Unverfügbaren gerade unsere tiefsten Erfahrungen von Lebendigkeit - und oft auch von Glück. 

Das Internet ist das genaue Gegenteil von Unverfügbarkeit. Es ist Verfügbarkeit pur und fast so etwas wie Gott: Überall zugegen, kennt alles, sieht alles, weiß alles. Es ist ein Götze. Je mehr wir ihm 'huldigen', um so mehr entfernen wir uns von der Tiefe unseres Erlebens, unseres Seins, von uns selbst. Jeder, der mal lange Zeit am Handy herumgedaddelt hat, kennt diesen subtil selbstentfremdeten Zustand. 

Wenn wir vom bvmde beharrlich auf die Gefahren des Mobilfunks und der Vernetzung hinweisen und mehr Zurückhaltung, hier und da sogar Verzicht propagieren, dann klingt das für viele etwas überbesorgt oder spielverderberisch.

Aber es gibt auch eine Positiv-Vision, die sich dem Wunsch nach universaler Dauerverfügbarkeit aller Informationen entgegensetzen lässt: nämlich die Wiederentdeckung des Unverfügbaren, des Unvernutzbaren, des 'Geschenkten'. Wer sich hier auf Entdeckungsreise begibt, begegnet womöglich einer anderen, fast vergessenen Qualität von Schönheit und Präsenz, vielleicht sogar Glück. Heutzutage kommt sie uns nicht mehr von selbst entgegen; wir müssen aktiv einen Schritt auf sie zugehen. Mitunter mutet das heutzutage fast schon abenteuerlich an, ohne Handy irgendwo hinzugehen. Für manche fühlt es sich an wie nackt oder unvollständig. Man setzt sich dem Hier und Jetzt aus ohne Netz und doppelten Boden - und erfährt dabei etwas, nämlich eine fast vergessene Qualität von Unmittelbarkeit.

Eine Bekannte erzählte mir mal von einer Freundin, die dem 'Götzen der Dauerverfügbarkeit' komplett verfallen war - auch auf sich selbst bezogen. Und dann hatte sie irgendwann ihr Handy verloren und musste eine geschlagene Woche ohne auskommen. In dieser Zeit sei die Freundin ein anderer Mensch geworden - ruhiger, präsenter, lebenszugewandter... Wenn das keine Entdeckung ist. Ausprobieren!

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