Funkfuchs 5: Datensammelwut

Die wenigsten ahnen, was die scheinbar belanglosen Datenspuren, die wir im Netz hinterlassen, alles über uns verraten

Dass wir beim Surfen im Netz Datenspuren hinterlassen, ist jedem klar, und da das nicht weh tut und auch kaum irgendwelche Konsequenzen davon zu spüren sind (außer, dass wir mit individualisierter Werbung bespielt werden, die wir zu ignorieren gewohnt sind), nehmen wir das schulterzuckend in Kauf. So what?

Wissenschaftler haben kürzlich ein schönes Experiment gemacht. Sie haben einen Würfel geworfen, die genaue Spur aufgezeichnet, und konnten dann nur aufgrund der etwas zickzackigen Spur auf die Form des Würfels rückschließen. Das Spielchen trieben sie weiter, und es gelang ihnen, allein anhand der Spur auf die Gestalt eines beliebig geformten Objektes mit allen möglichen Ecken und Dellen zu rekonstruieren.

Mit unseren Datenspuren verhält es sich ebenso. Wie lange ich im Internet welche Seiten anschaue, verrät schon viel über meine Interessen, auch ob ich eher teuer oder billig einkaufe. Aufgezeichnete Bewegungsprofile per Handy oder Auto zeigen an, in welchem sozialen Milieu ich mich aufhalte, wie busy ich bin, ob ich oft zum Arzt gehe, in Kneipen, zum Sport usw. Smartmeterdaten lassen erkennen, ob ich allein oder zu mehreren zuhause lebe, wann ich schlafen gehe, ob ich allein oder mit mehreren im Haushalt lebe, ob ich Wochenendbesuche bekomme. Wenn demnächst 5G kollektiv Einzug hält und das Smart-Home immer populärer wird, webt sich das Puzzle meiner Persönlichkeit immer dichter. 

Richtig Kawumm kommt in die Sache aber erst mit Big-Data. Indem Daten von Millionen Menschen vorliegen, lassen sich Signaturen herausschälen, also Mustergemeinsamkeiten etwa von Migranten, Querdenkern, Randgruppen aller Art, Ängstlichen, Risikofreudigen, Singles, Partyfreaks, Alkoholikern, Nerds, Homosexuellen usw., und ohne dass ich auch nur mit einem einzigen Wörtchen etwas über meine Neigungen oder Gruppenzugehörigkeit verraten hätte, kann eine KI mit hoher Treffsicherheit ein sehr detailliertes Persönlichkeitsprofil heraus destillieren. 

Edit your caption text here

Für die Daten können sich im Einzelfall Versicherungen, Banken, die Schufa, Arbeitgeber, Verfassungsschutz, Polizei etc. interessieren. Sie kennen dann meine Verführungs- und Druckpunkte - ein scharfes Schwert. Oft genügt aber schon das kollektive Wissen, um allein auf dem Weg einseitig bevorzugter Informationsbelieferung oder -zurückhaltung gezielt Einfluss zu nehmen auf mein Normalitätsverständnis und mein Denken. Ich würde es nicht einmal merken. Wird dann auch noch die gesamte Brieftasche digital mit Krankenversicherungskarte, Personalausweis, Visa-Karten etc. und irgendwann auch das Geld digital, dann ist es ein Leichtes, jemanden gezielt von der sozialen Teilhabe auszuschließen, ihn zu sanktionieren oder - z.B. mit social credits wie es wie schon in China gibt - zu disziplinieren, auf Linie zu bringen. Und man bedenke: Es braucht nur ein einziges mal eine politische Instabilität, dass dieses kollektive Nervennetz, was da über uns per Digitalfunk gespannt wird, in undemokratische Hände fällt und die dann mögliche Indoktrination sich kaum je wieder abschütteln lässt. Wir bauen gerade mit Hochdruck Strukturen auf, die extrem anfällig sind für jede Art der Vermachtung. 

Viele fordern besseren Service im Funksektor durch engmaschigere Vernetzung, gestopfte Funklöcher, höhere Datenraten. Die Frage aber ist: Gewinnen wir dadurch auf längere Sicht mehr Freiheiten oder verlieren wir welche? Und wenn nicht wir, dann vielleicht die nächste Generation. Die Vorteile der Technologie verspüren wir sofort, die langzeitlichen Folgen, ähnlich wie beim Klimawandel, können wir zwar erkennen, aber wir bleiben reglos wie der Frosch im sehr langsam sich erhitzenden Kochtopf. 

Was wir für den Augenblick tun können ... ? Zunächst öfter mal Handy abschalten (insbesondere ‘mobile Daten’, Flugmodus allein reicht nicht), Cookies löschen, auf Payback verzichten… - all das hilft ein klein wenig, unserer Freiheiten etwas mehr zu erhalten und weniger manipulationsanfällig zu sein. Beim Kernkraftdiskurs war es gelungen, ein Feeling für die schwehlende apokalyptische Gefahr der im Atom verborgenen Kräfte zu entwickeln. Was das Atom im letzten Jahrhundert war, ist heute das Bit. Und so gilt es, dasselbe kollektive Gefahrenbewusstsein zu entwickeln, damit auf längere Sicht nicht die *neuronale' Apokalypse droht. 

Teile den Beitrag mit jenen Freunden und Bekannten, die sich dafür interessieren könnten